Die Woche beginnt mit dem üblichen Gefühlswechselbad der Bus- und Bahnreisenden.
- Verzweiflung: Zwei Baustellen und Berufsverkehr auf der Strecke zum Bahnhof. Eigentlich sollte es reichen. Ich habe 21 Minuten Luft. Doch die Luft schwindet mit jedem Meter Fahrstrecke. Am Ende bringt es der „Schnellbus“ auf stolze 25 Minuten Verspätung. Keine Chance mehr auf den ICE in Düsseldorf. Es droht eine Stunde Verspätung.
- Hoffnung: Der Regionalexpress aus Aachen ist 39 Minuten zu spät dran. Den könnte ich mit einem engagierten Spurt vielleicht noch erwischen und es würde doch noch mit dem Anschluss in Düsseldorf klappen.
- Enttäuschung: Meine Sprintfähigkeit reicht nicht. Der Hoffnungsträger hat den Bahnhof bereits wieder verlassen.
- Erschöpfung: Mit Puls 180 und 200er Blutdruck schleppe ich mich in die nächste S-Bahn. Was will man sonst auch machen?
- Hoffnung reloaded: Die Äpp meldet eine Verspätung des ICEs in Düsseldorf. Allerdings schrumpfend.
- Erleichterung: In der Landeshauptstadt raus aus der S-Bahn. Treppe runter, Treppe rauf. Der ICE wartet bereits. Und er wartet mit dem Bahnklassiker schlechthin auf: weder angekündigte noch angezeigte umgekehrte Wagenreihung! Ich stürze in Wagen 25, die Türen schließen sich gleich hinter mir. Im Zug Chaos. Die, die vorne eingestiegen sind, müssen nach hinten und umgekehrt. Zudem funktioniert die Platzreservierungsanzeige nicht. Bis ich meinen Platz in Wagen 22 erreiche, ist der Zug schon fast in Köln.
Auf dem Weg durch den überfüllten Zug: Drei Lufthansa-Stewardessen erkundigen sich bei der freundlichen Bahnmitarbeiterin, wo denn das Raucherabteil wäre. Und ein freundlicher Herr fragt mich nach den Wagen mit den 30er Nummern (die erst in Köln angekoppelt werden).
- Gleichgültigkeit: In Köln entern ganze Heerscharen die einzelnen Waggons. Natürlich überwiegend die falschen. Elfter-im-Elften-Rückreiseverkehr. Schwaben, Bayern, Hessen. Neben mir ein Grieche. Eine Platzreservierung war bei den meisten wohl nicht mehr mit drin im Budget. Im Zug bildet sich ein undurchschaubares Knäuel von Menschen, das sich erst nach und nach auflöst. Viele werden die Strecke nur stehend genießen können.
Wir verlassen die Domstadt mit närrischen elf Minuten Verspätung. Genau jene elf Minuten, die ich in Frankfurt-Flughafen-Fernbahnhof zum Umsteigen habe.
Der Grieche entpuppt sich übrigens als Weinhändler, der europaweit für sein Unternehmen tätig und gerade auf dem Weg nach Athen ist. Konversation mit ihm ist nur bedingt möglich, weil er pausenlos über Handy seine Geschäfte organisiert. Perfektes Deutsch, aalglatt zu seinen Kunden und sowas von knallhart zu seinen Mitarbeitern. Alter Schwede, pardon: Grieche! - Entspannung: Der Lokführer holt fette fünf Minuten raus; der Teufelskerl. Der Grieche nimmt die Rolltreppe („Ich reise immer nur mit Handgepäck!“), ich brauche nur auf die andere Seite des Bahnsteigs.
- Irritation: Auch dieser Zug ist überfüllt. Das Verhalten und die Hilflosigkeit der Ab-und-zu-Fahrer sollte der Bahn eigentlich zu denken geben, dass hier noch einiges verbesserungsfähig ist. Fehlende Reservierungen, rätselhafte Wagenstandsanzeigen, unverständliche Durchsagen im Zug. Dann der Knaller: In Frankfurt-Hauptbahnhof bleiben wir mit unserem riesigen, doppelteiligem, 400 Meter langen ICE erst einmal stehen, weil der Lokführer noch nicht da ist !!!
In der Äpp nennt die Bahn das „Verzögerungen im Betriebsablauf“. Wer den zahlreichen Durchsagen am Frankfurter Bahnhof aufmerksam lauscht, fragt sich ohnehin, in welcher Bananenrepublik (bahntechnisch betrachtet) wir eigentlich leben. Hier fehlt ein Wagen, da die Platzanzeige, dort ist die Wagenreihung geändert, anderswo fällt ein Zug ganz aus.
„Kaffee, kalte Getränke, Snacks. Haben der Herr einen Wunsch?“ Als ich nach einer Valium verlange, schiebt der freundliche Bahnmitarbeiter seinen Verpflegungsrollator wortlos weiter. Kaum ist er weg, rollt der Zug an. Der wird doch wohl nicht selbst … - Erlösung: „Aufgrund des Lokführers“, wie es über die Lautsprecherdurchsage mitgeteilt wird, hängen wir jetzt 19 Minuten. Aber die können wir bis Fulda stabil halten. Großartig! Während die Äpp noch auf Optimismus macht, verlasse ich um 12:31 Uhr den Zug. Und: Nein, diese Fahrt war (wieder ‚mal) keineswegs angenehm.
Ein Kollege mailt aus einem ICE, der gut zwei Stunden von Mannheim bis Frankfurt braucht: „Mein Zug hat Prostata. Er bewegt sich nur tröpfelnd vorwärts“.