Dortmund – Hbf. Raus aus dem einzigen IC, der die Vitusstadt einmal am Tag aus Aachen kommend diretissimo mit Berlin verbindet. Mit Verspätungsgarantie. Fährt er sich in der Regel schon auf den ersten 60 Kilometern ein. Aber für Dortmund passt’s. Veranstaltungsbeginn 10:00 Uhr. Ankunft Hbf 09:09 Uhr plus irgendwas.
Foto: pixabay
Die Treppe vom Bahnsteig runter, fällt mir gleich ins Auge, dass auf der gegenüberliegenden Seite an der Rolltreppe (Fahrtrichtung rauf) gearbeitet wird. Warum fällt das, (offensichtlich aber nur mir) ins Auge? Weil am Fuße der Treppe 3 Monteure einem vierten zur Seite stehen; im wortwörtlichen Sinne. Und weil sich eine ältere Dame auf Stufe 5 der Treppe mit einem Ungetüm von Koffer nach oben schleppt.
Fast habe ich meine Füße schon Richtung Ausgang gelenkt, als der kleine Samariter in mir zu quengeln beginnt. Also gut, alter Quälgeist; kehrt gemacht, der mittlerweile bedrohlich keuchenden Oma hinterher, verbal einen altersgemäßen Diener gemacht und den Koffer geschnappt. Schnappen? Naja. Gefühlte zwei Zentner schnappt man nicht so einfach. Stufe für Stufe wuchte ich das Teil hoch. Kurz vor Erreichen meiner körperlichen Leistungsfähigkeit aber immerhin noch geistige Fitness heuchelnd, hechle ich noch einen witzigen Spruch raus: „Hamse wohl Backsteine drin!?“. Worauf sie verschmitzt lächelnd antwortet: „Nee, meinen verstorbenen Mann!“ Und so, wie die guckte, hab ich das sofort geglaubt.
War es am Morgen noch das Bedürfnis, einem älteren Menschen behilflich zu sein -so viele davon gibt es inzwischen auch nicht mehr- weckte die pure Verzweiflung in einem Augenpaar, eingerahmt von einer kecken Zopffrisur (quasi zwei pyramidenförmige Haargebinde, die Spitzen nach außen), unter einer sich kräuselnden kaffeebraunen Stirn den selbstlosen Ritter in mir. Kaum dass die miniberockte Schöne mich mit leicht französischem Akzent fragte:“Keine Aufzug hier?“ war ich schon auf dem Weg zum Yorma-Kiosk, wo ich die Frage unmittelbar an die Komplett-Arme-und-wahrscheinlich durchgehend tätowierte Fachverkäuferin weitergab. Aber außer einem Lastenlift („Wo wir immer die Kaffeepakete mit hochholen“), hatte sie nichts anzubieten, das unserer kleinen Notgemeinschaft hätte helfen können.
Hatte ich schon erwähnt, dass die Kaffeebraune einen vollbesetzten Zwillingssportwagen schob und noch eine ca. Vierjährige an der Hand hatte? Nicht? Nun denn; die Kleine vorgeschickt, den einen Zwilling oben auf der Treppe abgesetzt und den Nachwuchstransporter inklusive Klon des mittlerweile oben mitten auf der Treppe „Maman, Maman!“ kreischenden Kleinen -ich vorne, Maman hinten- die Treppe runtergeschafft. Schön in der Waagrechten, damit Kind Nr. 2 nicht auch noch raus purzelt.
Während ich dann, unten angekommen, auf die Kinder 1 und 2 ein Auge warf -derweil mich deren übergroße dunklen Kulleraugen ehrfurchtsvoll anstarrten- rannte Maman nach oben, packte die schreiende Nr. 3 und bemühte sich, ihm deutlich zu machen, dass sie alle es doch eilig hätten, indem sie ihn an einem Ärmchen die Stufen runter zerrte und in den Kinderwagen verfrachtete. Grußlos ließ sie mich stehen und ich konnte vom Bahnsteig aus noch minutenlang ihren Weg in die Dortmunder Innenstadt nur aufgrund des Gekreisches von Kind Nr. 3 nachverfolgen.