Aus dem No-Go in den Flow

Ja, das hat schon was, zu dritt drei Autos und ein Motorrad zur Verfügung zu haben. Das dritte Kfz auch nur deshalb, weil Sohnemann nach Meniskus-OP noch nicht wieder fahrtüchtig ist. Das Wetter ist frisch und unbeständig. Das Motorrad hat heute seinen freien Tag. Weil’s noch richtig früh ist, fünf Uhr fünfundfünfzig , sind die Straßen frei und ein Parkplatz ist auch schnell gefunden.

Schienen

Frohen Mutes, mit „Échame la culpa“ den perfekten Ohrwurm im Kopf und das Frühstück ersetzende Kaugummi sich zwischen den mahlenden Kiefern quetschend, gehtˋs hurtig auf Bahnsteig 1. Die Pendlerinnen und Pendler -geht gegendered eigentlich auch ‚die Pendelnden?‘- Richtung Aachen blicken eher sauer drein. 20 Minuten plus. Während ich das noch vielleicht ein bisschen zu gut gelaunt registriere, springt die Anzeige um und zeigt für meine Verbindung nach Köln das Todesurteil jeglicher Reiseplanung an: Zug fällt aus.

Das ist der Worst Case, der Super-Gau, das schlimmste Szenario, das die Bahn im Repertoire hat. Kein weiterer Hinweis, keine Anzeige, keine Durchsage, das „Reisecenter“ (in der Vitusstadt eher ein Reisecenterchen) noch geschlossen, kein Bahnmitarbeiter weit und breit, eine Äpp, die wegen Signalschwäche (passt ja) nicht funktioniert und in Frankfurt nur 12 Minuten Luft zwischen Ankunft und Termin (zum Glück Meeting im Hbf).

clown

Für den Gelegenheitsbahnreisenden Horror pur. Als säße man im Kino, erste Reihe, es läuft „ES“ und Du hast kein Kissen, um es Dir vor’s Gesicht zu halten. Aber auch für den terminabhängigen Bahnprofi eine Herausforderung. Zumal auf einem Provinzbahnhof, dessen Ambiente den Gast vermuten lässt, dass gleich ein Sonderzug der Deutschen Reichsbahn einrollen könnte. Doch deren Nachfolgeunternehmen hat immer noch einen Überraschungspfeil im Köcher. Und den feuert sie mittenmang aus der Äpp heraus, mit der ichzwischenzeitlich über ein leidlich stabiles Netz auf dem Bahnhofsvorplatz verbunden bin, auf mich ab.

Wenn ich nämlich den RE um 6:30 Uhr Richtung Düsseldorf nehme und in Neuss umsteige, bin ich noch früher in Köln/Messe-Deutz als mit dem nun ausfallenden Zug. Ich frag erst gar nicht, warum mir diese Verbindung nicht schon bei der Online-Buchung angezeigt wurde. Hätte ich jedenfalls noch drei Minuten länger im Bett bleiben können.

Kaum, dass ich diesen Gedanken zu Ende gedacht habe, geht das Handy. Also es vibriert. Anruf von der Holden wird angezeigt. Die hätte heute Morgen nämlich voll verpennt, wenn ich nicht ausnahmsweise früher raus gemusst und den Wecker nicht gestellt hätte. Was kann da passiert sein? Unfall? Einbruch? Todesfall in der Nachbarschaft?

schlüssel„Hast Du meinen Hausschlüssel mit?“ Da hängt auch ihr Autoschlüssel dran. „Nö.“ „Sicher?“ „Ja.“ „Ich hab schon alles angesucht. Sogar in der Mülltonne hab ich nachgeguckt.“ „???“ „Haben wir nicht noch einen Ersatzschlüssel?“ „Glaub nicht. Bei dem alten hatten wir in der Geldkassette noch so’n Hotelschlüssel.“ „Die hab ich schon komplett ausgeschüttet. Aber: kein Schlüssel.“ „Ich sag doch, dass …“ „Was mach ich den jetzt?“ „Schatz, Deine Arbeitsstelle ist doch nur im Nachbardorf. Mit dem Bus bist Du in fünf Minuten da. Der nächste fährt in acht Minuten. Das schaffst Du locker. Oder nimm das Fahrrad. Dann bist Du in 15 Minuten dort. Oder weck unsere gemeinsame Tochter und lass Dich von ihr bringen. Oder dreh Dich doch einfach noch ein paar mal im Kreis und binnen fünf Minuten taucht der Schlüssel wieder auf.“ Die letzten Sätze denke ich natürlich nur. Bin doch nicht lebensmüde. Stattdessen behaupte ich, dass der Zug einrollt und ich Schluss machen müsse. Zwei Minuten später kommt ne SMS. Schlüssel ist wieder da.

Pünktlich gehts dann los. Das Umsteigen klappt problemlos. Das Meeting wird pünktlich erreicht. Trotz Baustellenchaos zwischen Düsseldorf und Köln von der Vitusstadt in die Bankenmetropole in zwei Stunden achtzehn. Respekt, meine Bahn!

Nur der Brief, den ich schon bei uns im Dorf hatte einwerfen wollen, steckt immer noch in meiner Tasche. Aber zum Briefkastensterben auf deutschen Bahnhöfen schreib ich vielleicht später mal ‚was.

Und wieder die Frage nach dem „Warum“

Rückfahrt. Fahrplanauskunft der Bahn:

Bildschirmfoto 2018-04-26 um 14.07.13

In vier Minuten in Neuss von Gleis 1 auf 8 zu gelangen, wäre selbst für einen Usain Bolt recht ambitioniert. Dass der in der Reiseempfehlung genannte ICE 154 ab Frankfurt aber über die Vitusstadt fährt und dort um 15:28 Uhr auch hält (also satte zwei (2!) Minuten nach der S-Bahn, die ich wahrscheinlich sowieso verpassen würde, offenbart sich erst, wenn man sich den Gesamtfahrtverlauf in der Äpp anzeigen lässt.

Warum also diese Fahrplan-Auskunft?

Fotos: pixabay

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