Bahnfahren billiger – Qualität konstant

Eine lange (fast) reisefreie Zeit liegt hinter mir. Jahreswechsel. Fahrplanwechsel. Tarifwechsel. Bahnfahren wird billiger. Statt 19% beträgt die Mehrwertsteuer auf Bahntickets jetzt nur noch 7%. Das soll mehr Menschen auf die Schiene locken. Schau’n wir ‚mal.

Der Morgen beginnt jedenfalls völlig ungewohnt. Raureif auf den Dächern, zugefrorene Windschutzscheiben und Atemwölkchen vor dem Mund. Um neun Uhr noch minus zwei Grad. Die Sonne strahlt, der Bus kommt drei Minuten zu früh (!), die Eurobahn startet pünktlich. Da stören selbst die lautstarken Halbstarken nicht, die in Klassenstärke einen Tagesausflug machen.

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Alpiner Hauch in Düsseldorf

Sorgen macht nur der Fund einer Fliegerbombe am Rheinufer vor’m Kölner Hauptbahnhof und deren angekündigte Entschärfung am Vormittag. Begleitet vom HipHop-Stakkato aus einem halben Dutzend Schüler-Smartphones ergebe ich mich dem Fatalismus*, den ich als langjähriger Bahnkunde zu entwickeln wusste.

Der ICE 105 (oder: „einhundert null fünf“, wie die Computerstimme es zu formulieren pflegt) kommt jedenfalls fast pünktlich in Düsseldorf an. Die Winterjacke behalte ich gleich an. Denn auch im Zug entstehen Wölkchen beim Ausatmen. Die Heizung funktioniert nämlich nicht. Der Zugbegleiter reagiert nur mit einem Schulterzucken.

Dafür ist auch der Internet-Empfang beschissen. Ganz im Gegensatz zu den vier Toiletten im Waggon, die heute defekt sind und nicht für den Geschäftsbetrieb (Wortspiel!) zur Verfügung stehen.

Wir sind der letzte ICE, der den Rhein über die Hohenzollernbrücke queren darf und durchfahren davor den menschenleeren, weil gesperrten Deutzer Bahnhof. Gruselig!

Wegen der Bombe herrscht in Köln Chaos. So wundert es nicht, dass der Zugführer zunächst einmal auch keine Fahrplanunterlagen bekommt. Eine halbe Stunde dauert es bis zur Weiterfahrt.

Als uns dann noch eine technische Störung an der Strecke aufhält, schwindet die Hoffnung auf den geplanten Anschluss um 12:09 Uhr schnell. 12:50 Uhr geht ebenso dahin wie 13:01 Uhr. 13:36 Uhr fällt ganz aus …

Die Zeit vertreibe ich mir mit einer niederschmetternden Online-Bewertung dieser Fahrt, in deren Verlauf die Bahn tatsächlich den Beweis antritt, dass man auf eine „oder“-Frage eben doch mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann; was ich selbst auch immer wieder tue.

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Da wir jetzt eh schon so spät dran sind, lohnt sich auch die Fahrt zum Zielbahnhof Basel nicht mehr. „Unsere Reise endet heute in Freiburg“ verkündet die Zugbegleiterin und lässt die Schweiz-Urlauber im Zug frohlocken.

Und für den jetzt zu erwartenden Anschlusszug, empfiehlt die Äpp zu reservieren nicht ohne darauf hinzuweisen, dass eine Reservierung wenig Sinn macht.

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Die Rückreise trete ich voller Hoffnung und bestens gelaunt an. Zum einen erlebe ich, wie am Bahnhof Fulda ein Zugführer auf das Klopfen einer jungen Mutter an seinem Fenster reagiert, deren Nachwuchs beim Aussteigen die Trinkflasche zwischen Zug und Bahnsteig verloren hat. Er fischt das Teil mit langem Arm aus dem Gleisbett und überreicht es der tief beeindruckten Amanda zurück, die das Spiel toll findet und die Flasche gleich wieder aus dem Kinderwagen feuert, den schmalen Spalt diesmal allerdings verfehlt.

Zum anderen erwische ich noch einen früheren Zug, sodass ich eine Stunde früher zuhause sein werde. Im Bahnjargon: könnte.

Kurz vor Frankfurt/Main-Hauptbahnhof wird verkündet, dass der Zug heute dort endet und nicht weiter nach Frankfurt/Main-Flughafen-Fernbahnhof fährt, wo ich hätte umsteigen sollen.

Stattdessen muss ich den verspäteten ICE aus München nehmen, der die Hoffnung auf einen frühen Feierabend jäh zunichte macht.

Der Lokführer ist ein Teufelskerl und obwohl in Frankfurt/Main-Flughafen-Fernbahnhof eine Horde Holländer den Zug stürmt, weil der irrtümlich am Bahnsteig nach Amsterdam fahrend angezeigt wurde, holt er -nachdem die Holländer wieder raus sind- glatte sieben Minuten bis Düsseldorf raus. Und weil die Eurobahn Verspätung hat und heute zufällig und ausnahmsweise auf dem gleichen Gleis ankommt, auf dem ich meine S-Bahn wähne, habe ich am Ende sogar mehr als eine Stunde Zeitvorteil zur ursprünglichen Planung … was aber auch nichts bringt, weil der Bus eh nur alle 60 Minuten fährt. Aber der kostet auch immer noch dasselbe und ist eigentlich ein anderes Thema.

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*Als Fatalismus bezeichnet man laut Wikipedia eine Weltanschauung, der zufolge das Geschehen in Natur und Gesellschaft durch eine höhere Macht oder aufgrund logischer Notwendigkeit vorherbestimmt ist. Aus der Sicht von Fatalisten sind die Fügungen des Schicksals unausweichlich, der Wille des Menschen kann ihnen nichts entgegensetzen.

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